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„Eine kleine Geschichte zum Paradies“ von Rahulla Torabi (Afghanistan)

Das Paradies oder das Gegenteil, die Hölle, betritt man normalerweise nachdem man tot ist – also nach dem Ableben.

Im Hier und Jetzt ist das Paradies so wie die Hölle eine individuelle Beschreibung eines Ortes, der eigentlich nur in Fantasie und Vorstellung existiert.

Aber nichtsdestotrotz wünschen sich Menschen ein Paradies oder die Hölle – es gibt auch Menschen, die hier und jetzt in einem Raum leben, der einer Hölle oder einem Paradies gleicht.


Ein Paradies existiert in Fantasie oder in Wirklichkeit nur dann, wenn auch eine Hölle existiert. So wie ohne Freund kein Feind, ohne Schwarz kein Weiß, ohne Hitze keine Kälte, ohne oben kein unten, ohne Anfang kein Ende.


Menschen können sehr schnell ein Paradies in eine Hölle verwandeln, aber das dauert sehr lang, bis diese Hölle wieder zu einem Paradies wird.

Ich habe mein Heimatland verlassen, weil das dortige Paradies sich durch Menschenhand in eine Hölle zu verwandeln drohte – so verließ ich diese paradiesische Landschaft und betrat ein neues Paradies – als ich dieses Paradies betrat, war ich doch irgendwie verwundert, dass in dem neuen Paradies 99 Luftballons flogen.


In dem neuen Paradies gab’s zwei Fernsehsender – in dem einen lief "Hurra, hurra, die Schule brennt!", und später lief in dem anderen Fernsehsender "Skandal um Rosi im Sperrbezirk".

Alle paar Wochen warfen die Leute ihr Hab und Gut auf die Straße und kauften sich neue Sachen.

In dem neuen Paradies gab es sehr viele Regeln wie rechts vor links - sehr viele Halteverbotschilder, sowie eine Vielzahl an Automarken, die ich bis dahin oder besser gesagt in dem anderen Paradies, in dem ich gelebt habe, nicht kannte.

Dieses Paradies war auf eine gewisse Art und Weise ein geregeltes Paradies.

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